09. Mai 2023 | Eine von acatech und DECHEMA veröffentlichte Analyse untersucht die Rolle von Wasserstoff in der chemischen Industrie. Das Ergebnis: sowohl stofflich als auch energetisch können grüner Wasserstoff und seine Derivate massiv zur Dekarbonisierung beitragen. Der Wasserstoffbedarf des Chemiesektor könne sich bis 2050 “mindestens verdoppeln”, auch eine Erhöhung um das 5- bis 7-fache sei möglich.
Die Analyse zum Wasserstoffeinsatz in der chemischen Industrie ist Teil einer Metaanalyse, welche acatech und DECHEMA im Rahmen eines gemeinsamen Projektes zum “Wasserstoff-Kompass” durchführen. Die Metaanalyse führt mehrere Studien und Szenarien zum künftigen Einsatz von Wasserstoff in einzelnen Sektoren zusammen.
Energetische und stoffliche Nutzung
Um weniger fossile Ressourcen zu verwenden, kann die chmeische Industrie Wasserstoff und seine Derivate nicht nur energetisch, sondern auch stofflich verwenden.
„Demnach könnte sich der Wasserstoffbedarf der chemischen Industrie bis zum Jahr 2050 mindestens verdoppeln. Einige Szenarien modellieren auch Erhöhung des Bedarfs um die Faktoren 5 bis 7“, beschreibt Jens Artz, Projektleiter bei Dechema Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., ein Ergebnis des Vergleichs.
„Um solche Wasserstoffmengen anbieten zu können, wird es elementar sein, dass günstiger Ökostrom ausreichend verfügbar ist“, ergänzt Andrea Lübcke, Projektleiterin bei acatech, Deutsche Akademie der Technikwissenschaften.
„Die Defossilisierung der chemischen Industrie ist außerdem darauf angewiesen, dass ihre Standorte an Gasnetze (Wasserstoff, CO2) und das Stromnetz angeschlossen sind.“
Wasserstoff in der chemischen Industrie
Die chemische Industrie in Deutschland hatte laut Studie m Jahr 2021 einen Wasserstoffbedarf von 37 TWh . Dies entspricht rund 1,1 Mio. t. Durch die Abkehr von fossilen Ressourcen könnten die Wasserstoffbedarfe in Zukunft massiv steigen werden.
Die in der Metaanalyse untersuchten Szenarien gehen von Wasserstoffbedarfen für das Jahr 2050 zwischen 80 bis 283 TWh aus. Die Spannbreite ergibt sich daraus, dass die Szenarien die verschiedenen Einsatzgebiete von Wasserstoff unterschiedlich gewichten.
Der aktuelle, auf fossilen Verfahren basierende Wasserstoffbedarf von 1,1 Mio. t müsse weiterhin gedeckt werden. Zudem gelte es den noch grauen Wasserstoff perspektivisch nachhaltig zu produzieren, um z.B. die Erzeugung von Ammoniak zu dekarbonisieren.
Vergleich modellierter Wasserstoffbedarfe der Chemischen Industrie bis 2050 (Quelle: acatech/DECHEMA)
Prozesswärme aus Wasserstoff
Die chemische Industrie hat zudem einen hohen Wärmebedarf. Viele Prozesse benötigen Temperaturen von 300 bis 1.000 °C. In Zukunft könnten Wasserstoff oder synthetisches Methan hier zum Einsatz kommen und Prozesswärme erzeugen.
„Prozesswärme aus Wasserstoff(-derivaten) wird insbesondere dort relevant, wenn es dafür keine elektrifizierbaren oder biomassebasierten Alternativen gibt“, erläutert Artz.
Höherer Energiebedarf durch Umstellung
Im Jahr 2021 hat die chemische Industrie in Deutschland rund 450 TWh Energie verbraucht. Damit mache ihr Energieverbrauch derzeit mehr als 20 % des energetischen Verbrauchs der deutschen Industrie aus.
Die Metaanalyse zeigt, dass alle untersuchten Szenarien der Defossilisierung eine Steigerung des Endenergiebedarfs zur Folge haben. Auch für die Chemische Industrie sei es daher zentral, auf günstigen erneuerbaren Strom zugreifen zu können.
Um Stoffkreisläufe zu schließen, sei es darüber hinaus notwendig, die Recyclingquote von Kunststoffabfällen zu erhöhen. Denn: Werden Kunststoffabfälle stofflich genutzt, muss weniger neuer Kunststoff produziert werden. Das mindert den fossilen Rohstoffbedarf der Kunststoffherstellung. Heute werden noch etwa 65 % der anfallenden Kunststoffabfälle zur energetischen Nutzung verbrannt.
Um sie stofflich zu nutzen und so fossile Ressourcen zu substituieren, kann eine Aufarbeitung mit Wasserstoff nötig werden. Dasselbe gilt für die Aufarbeitung biogener Reststoffe.
Umstellung auf grünen Wasserstoff reduziert Emissionen
Jährlich verantwortet die chemische Industrie bis zu 112 Mio. t CO2-Äquivalente. Berücksichtigt werden alle direkten und indirekten Emissionen, die entstehen, wenn chemische Erzeugnisse hergestellt, genutzt oder entsorgt werden.
„Hier besteht ein großes Treibhausgaseinsparpotenzial, das aufgrund des Pariser Klimaschutzabkommens zügig gehoben werden muss,“ prognostiziert Andrea Lübcke.
„Wenn die chemische Industrie auf regenerativ erzeugten Wasserstoff umstellt, kann sie ihren Treibhausgasausstoß deutlich reduzieren.“
Die vollständige Analyse finden Sie hier.
(Quelle: idw/2023)
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